Wie schaffe ich es eine Zwangshandlung sein lassen zu können?

Zwangshandlung sein lassen- geht das üBERHAUPT?


Viele Betroffene einer Zwangsstörung kennen den Teufelskreis: Ein quälender Gedanke taucht auf, das Gefühl von Angst und Unsicherheit wird überwältigend, und die scheinbar einzige Möglichkeit, sich kurzfristig zu beruhigen, ist eine Zwangshandlung. Doch genau dieses Ritual verstärkt den Zwang auf Dauer und macht es so schwer, eine Zwangshandlung sein lassen zu können.

In diesem Artikel erfährst du:

  • warum Zwangshandlungen entstehen,
  • welche Rolle Gefühle wie Angst und Unsicherheit spielen,
  • und welche ersten Schritte dir helfen können, eine Zwangshandlung wirklich sein zu lassen.

Was sind Zwangshandlungen überhaupt?

Zwangshandlungen sind wiederholte Verhaltensweisen oder Rituale, die Betroffene ausführen, um unangenehme Gefühle – zum Beispiel Angst, Ekel oder Unsicherheit – kurzfristig zu reduzieren. Typische Beispiele sind:

  • Kontrollzwänge (z. B. Herd oder Türen mehrfach überprüfen),
  • Wasch- und Reinigungszwänge,
  • Zähl- oder Wiederholungszwänge,
  • mentale Zwänge (bestimmte Gedanken immer wieder durchgehen oder neutralisieren).

Das Problem: Auch wenn die Handlung kurzzeitig Erleichterung bringt, verstärkt sie langfristig die Angst und das Gefühl, ohne Ritual nicht leben zu können. Genau deshalb ist es so wichtig zu lernen, wie man Schritt für Schritt eine Zwangshandlung sein lassen kann.

Der Teufelskreis der Zwangsstörung

  1. Auslösender Gedanke – ein Zweifel, eine Befürchtung oder ein Bild im Kopf.
  2. Gefühle von Angst und Unsicherheit – das innere Erleben wird unerträglich.
  3. Zwangshandlung – Waschen, Kontrollieren oder ein mentales Ritual.
  4. Kurzfristige Erleichterung – die Angst geht zurück.
  5. Langfristige Verstärkung – das Gehirn „lernt“: Ohne die Handlung geht es nicht.

So entsteht ein Kreislauf, der immer stärker wird – bis die Zwangshandlungen einen großen Teil des Lebens bestimmen.

Warum es so schwer ist, eine Zwangshandlung sein zu lassen

Viele Betroffene sagen: „Ich habe keine Wahl – ich muss das tun.“ Dieses Gefühl, keine Wahl zu haben, macht es besonders schwer, eine Zwangshandlung sein lassen zu können.
Ein bekanntes Experiment aus der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) zeigt jedoch: Es gibt eine Wahl. Stell dir vor, jemand würde dir in einer Extremsituation verbieten, die Zwangshandlung auszuführen – und dein Leben hinge davon ab. Plötzlich merkst du: Eine Entscheidung ist möglich.

Das bedeutet nicht, dass es leicht ist. Es bedeutet, dass Zwangshandlungen kein Automatismus ohne Kontrolle sind, sondern ein Versuch, mit starken Gefühlen umzugehen. Der Schlüssel liegt also nicht im „Wegdrücken“ der Handlung, sondern im neuen Umgang mit den Gefühlen dahinter.

Erste Schritte: Wie kann ich eine Zwangshandlung sein lassen?

1. Gefühle annehmen statt bekämpfen

Angst, Unsicherheit oder Ekel sind unangenehm, aber nicht gefährlich. Versuche, sie im Körper wahrzunehmen, ohne sofort zu reagieren. Ein bewusster Atemzug kann helfen, den Moment auszuhalten.

2. Unsicherheit zulassen

100 % Sicherheit gibt es nicht – weder beim Herd, noch beim Händewaschen, noch im Leben. Übe, diese Unsicherheit Schritt für Schritt auszuhalten, statt sie mit Ritualen auflösen zu wollen.

3. Kleine Schritte gehen

Niemand hört von heute auf morgen mit allen Zwangshandlungen auf. Beginne klein: Lass zum Beispiel eine Wiederholung aus oder verzichte in einer Situation bewusst auf die Handlung. Jeder kleine Erfolg stärkt dein Vertrauen. Niemand hört von heute auf morgen mit allen Zwangshandlungen auf. Aber kleine Schritte helfen dir dabei, nach und nach eine Zwangshandlung sein lassen zu können.

4. Praktische Übungen nutzen

In dieser Podcast-Folge (»Wie schaffe ich es, eine Zwangshandlung sein zu lassen?«) führen wir dich durch eine Übung, die dir zeigt, wie du mit schwierigen Emotionen umgehen kannst, ohne ein Ritual auszuführen.

5. Therapeutische Hilfe annehmen

Kognitive Verhaltenstherapie mit Expositionsübungen ist wissenschaftlich die wirksamste Methode, um Zwangsstörungen nachhaltig zu behandeln.

Zwangshandlungen sein lassen heißt: Gefühle zulassen

Zwangshandlungen sind immer der Versuch, unangenehme Gefühle loszuwerden.
Der Weg heraus bedeutet deshalb: Gefühle annehmen, auch wenn sie schwer sind. Je mehr du lernst, Unsicherheit und Angst zu tragen, desto weniger Macht haben die Zwangshandlungen.

Weiterführende Ressourcen

Wenn du tiefer in dieses Thema einsteigen möchtest, könnten dir diese Ressourcen helfen:

🎧 Podcast-Episode:
👉 „Wie schaffe ich es, starke und unangenehme Gefühle auszuhalten?“ – In dieser Folge sprechen wir ausführlich darüber, warum Gefühle wie Angst und Unsicherheit so schwer auszuhalten sind und wie du lernen kannst, ihnen Schritt für Schritt Raum zu geben.

📺 YouTube-Video:
Hier teile ich weitere Impulse und konkrete Übungen, die dir helfen können, mit Unsicherheit und Zweifeln besser umzugehen.

Fazit

Eine Zwangshandlung sein lassen, ist kein einmaliger Akt der Willenskraft, sondern ein Prozess. Er besteht aus vielen kleinen Schritten: Gefühle bewusst wahrnehmen, Unsicherheit zulassen und nach und nach die Kontrolle zurückgewinnen.

Du bist mit dieser Herausforderung nicht allein. Unterstützung durch Therapie, hilfreiche Übungen und der Austausch mit anderen Betroffenen können dir helfen, den Kreislauf zu durchbrechen.

Weiterführende Hilfe: Unsere Weiterbildung
Unsere Weiterbildung zu Zwangsstörungen richtet sich an Fachpersonen, Betroffene und Angehörige. Dort erhältst du fundiertes Wissen, praxisnahe Übungen und Strategien, die helfen, Zwangsstörungen besser zu verstehen und mit ihnen umzugehen.

Gleichgewicht zwischen Kopf und Herz als Symbol für den Weg aus Zwangshandlungen

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