Zwangsstörung: 8 wirksame Strategien, die Angehörigen wirklich helfen

Hilfreiche Tipps für Angehörige bei Zwangsstörung

Zwangsstörung Hilfe für Angehörige – wenn ein geliebter Mensch an einer Zwangsstörung leidet, stehen Angehörige oft vor der Frage, wie sie sinnvoll unterstützen können, ohne den Zwang unbewusst zu verstärken. Dieser Beitrag gibt dir praxisnahe Tipps, um mit Mitgefühl und klaren Grenzen zu helfen – und dabei sowohl die eigene Belastung als auch die Symptome der betroffenen Person zu verringern.. 

Typische Formen der Einbindung

1. Delegierte Zwangshandlungen

Hier übernimmt eine andere Person die Handlung, die der Zwang vorgibt.
Beispiel: Jemand mit starkem Waschzwang bittet den Partner, alle Türklinken zu desinfizieren oder Seifenspender zu bedienen.
➡ Kurzfristig sinkt die Anspannung, langfristig verstärkt sich jedoch der Zwang.

Was tun?

  • Gemeinsam besprechen, welche Hilfen schrittweise reduziert werden können.

  • Kleine Veränderungen einführen, damit die betroffene Person wieder selbst aktiv wird.

2. Vom Zwang auferlegte Regeln

Zwangsregeln können den Alltag aller Beteiligten stark einschränken.
Beispiel: Die Familie darf keine bestimmten Lebensmittel einkaufen oder Kleidung darf nur auf eine festgelegte Weise gewaschen werden.

Was tun?

  • Regeln hinterfragen und gemeinsam prüfen, welche wirklich nötig sind.

  • Schrittweise Freiräume zurückerobern, z. B. einen gemeinsamen Kinobesuch planen, auch wenn er zunächst Angst auslöst.

3. Rückversicherungen

Das ist die häufigste Form der Einbindung. Die betroffene Person sucht immer wieder Bestätigung: „Habe ich die Tür abgeschlossen?“ – „Bin ich sicher, dass ich niemandem geschadet habe?“
Diese Fragen scheinen harmlos, doch jede beantwortete Rückversicherung füttert den Zwang.

Rückversicherungen: So reagierst du hilfreich (statt zu verstärken)

Rückversicherungen („Habe ich die Tür wirklich abgeschlossen?“) geben nur kurz Ruhe, nähren aber langfristig Unsicherheit und Zwang. Nicht jede Frage sofort beantworten – kurz innehalten, wahrnehmen, freundlich bleiben.

Mögliche Antworten für Angehörige:

  • „Ich bin für dich da – und ich glaube, es hilft dir mehr, wenn du es selbst prüfst.“

  • Kann sein, aber ich bin mir nicht sicher – vielleicht findest du es selbst heraus.“

  • Fragst du mich gerade um Sicherheit zu bekommen?

  • „Ich weiß es nicht genau – und das ist okay.“

Ziel: Die Person lernt, Unsicherheit auszuhalten, ohne sie sofort zu neutralisieren.

Mini-Dialog (Beispiel)

Betroffene Person: „Ist mein Arzttermin um 15.00 oder um 16.00 Uhr?“
Angehörige: „Ich weiß, es ist schwer für dich, mit Unsicherheit umzugehen. Schau doch in deinen Kalender und dann lass uns einen gemeinsamen Spaziergang machen.“

Voraussetzungen, damit Unterstützung wirklich hilft

  • Gemeinsam verstehen: Betroffene und Angehörige wissen, wie Zwang funktioniert – besonders, dass Mithilfe den Teufelskreis verstärkt.

  • Gefühle aushalten lernen: Die betroffene Person hat in Therapie oder alltagsnah bereits geübt, mit Unsicherheit/Anspannung umzugehen (z. B. Atem, Körperwahrnehmung, ACT/ERP-Elemente).

  • Absprachen treffen: In einem gemeinsamen Gespräch wird festgelegt, wo, wie und in welchem Tempo die Mithilfe reduziert wird.

  • Rückhalt statt Kontrolle: Angehörige unterstützen beim Aushalten von Unsicherheit, nicht beim „Wegmachen“ der Zweifel.

Wenn Kinder mitbetroffen sind

Klärt Kinder altersgerecht auf, dass starke Emotionen (z. B. Ärger, Tränen), die bei Verweigerung von Mithilfe entstehen können, nicht gegen sie gerichtet sind. Vereinbart einen Plan: Bei sehr hoher Anspannung verlässt die betroffene Person kurzzeitig die Situation/den Raum, bis sie sich wieder regulieren kann.

Wichtige Grundsätze für Angehörige

  • Informiert euch gemeinsam über die Zwangsstörung und den „Teufelskreis“ von Mithilfe.

  • Vereinbart klare Schritte, wie Unterstützung reduziert werden kann.

  • Sprecht offen über Grenzen – niemand kann 24/7 verfügbar sein.

  • Holt euch selbst Unterstützung, z. B. in Angehörigengruppen oder durch Beratung.

Schrittweise weniger Mithilfe: Ein alltagsnaher Plan

  1. Bestandsaufnahme
    Liste zusammen, wo Angehörige aktuell mithelfen (z. B. Türen öffnen, Seifenspender bedienen, Fragen beantworten, Einhalten von Zwangsregeln).

  2. Reihenfolge festlegen
    Beginnt mit 1–2 kleinen Veränderungen (niedrige bis mittlere Anspannung).
    Beispiel: Partner*in bedient den Seifenspender nicht mehr – die betroffene Person übernimmt wieder selbst.

  3. Konkrete Absprachen

    • Was wird verändert?

    • Wie lange wird Unsicherheit ausgehalten (z. B. 5–10 Min.)?

    • Was hilft beim Aushalten? (Atem, Bodenkontakt, kurze Körperwahrnehmung)

  4. Rückfallfreundlich bleiben
    Es ist normal, dass es Tage gibt, an denen es schwerer fällt. Kurz pausieren, nicht aufgeben, beim nächsten Mal erneut probieren.

Typische Fehler – und bessere Alternativen

  • Fehler: „Nur dieses eine Mal…“ doch Ausnahmen häufen sich.
    Besser: Kleine, klare Regeln – und freundlich-konsequent bleiben.

  • Fehler: Diskussionen über 100 % Sicherheit.
    Besser:Absolute Gewissheit gibt es nicht. Lass uns schauen, wie du die Unsicherheit tragen kannst.“

  • Fehler: Mithilfe abrupt komplett stoppen.
    Besser: Schrittweise reduzieren, Tempo gemeinsam festlegen.

Weiterbildung

Zwang verstehen & begleiten – Online-Weiterbildung für Fachpersonen und Angehörige: praxisnahe Strategien, Fallbeispiele, Kommunikation bei Rückversicherungen. 

Zur Online- Weiterbildung

Video-Tipp

In diesem Video erfährst du, wie Angehörige Menschen mit Zwangsstörung liebevoll unterstützen können- ohne die Zwänge zu verstärken. Mit praktischen Beispielen und leicht umsetzbaren Strategien. 

Hör auch rein in unseren Podcast Zwangspause:

#12 – Was bewegt Angehörige? Eure Sorgen, unsere Antworten.

#52- Ich wollte helfen- aber ist das wirklich Hilfe? Impulse für Angehörige.

Der Podcast ist auch auf Apple, YouTube und überall wo es Podcast gibt verfügbar.

Wenn Sie selbst betroffen sind oder jemanden unterstützen, der unter Zwangsgedanken und Zwangshandlungen leidet, finden Sie in diesem Artikel zu Zwangsstörung Hilfe für Angehörige zahlreiche praxiserprobte Tipps, um wirksam und gleichzeitig einfühlsam zu helfen.

Weiterführende Literatur & kostenlose Materialien

Mein Buch: Zwangsstörung und Zwangshandlungen – Eine Einführung für Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufe
Dieses Buch richtet sich nicht nur an Fachkräfte, sondern ist auch für Betroffene und Angehörige eine wertvolle Unterstützung.
Es enthält praxisnahe Erklärungen, Fallbeispiele und hilfreiche Strategien im Umgang mit Zwangsstörungen.

🎁 Kostenlos herunterladen:

  • Inhaltsverzeichnis
  • Geleitwort von Peter Wittkamp (humorvoll & persönlich)
  • Schlusswort: Ein liebevoller Abschiedsbrief an den Zwang

👉 Zum Buch bei Springer

Zusätzlich empfohlen:
Der Zwang in meiner Nähe – Rat und Hilfe für Angehörige von Zwangserkrankten von Fricke & Rufer
Ein einfühlsamer Ratgeber, der speziell Angehörigen praktische Unterstützung und Orientierung bietet.

Ihnen gefällt der Beitrag? Dann freue ich mich, wenn Sie diesen Beitrag teilen!

Kontakt »

E-Mail: mail@irenamikic.com | Telefon: +41 77 488 61 66

Weitere Beiträge + Fachartikel

Events

Informationen und Anmeldung zu meinen Seminaren, Workshops und Vorträge.